06. Juli 2021

Tour auf den Mittagberg

Ich werde wach, strecke und recke mich schaue vorsichtig aus dem Zelt und stelle fest, dass wir bestes Bergwetter haben. Könnte im Laufe des Tages ein bisserle zu warm werden, aber ich bin guter Dinge für den Tag. Na dann steht der Tour auf den Mittag ja nichts mehr im Wege. Kurze Zeit später kommt Björn auch aus dem Zelt gekrochen und befindet das Wetter auch als top. Da der Mittag mit seinen 1451 Metern nun wirklich kein Riese ist, lassen wir es etwas gemächlich angehen. Gegen 10:30 Uhr brechen wir auf und ich schätze das wir so gegen 13:00 Uhr an der Mittag-Mittelstation sein sollten. Von Anfang an stand für uns zu 99% fest, dass wir nur bis zur Mittelstation der Mittagsbahn aufsteigen würden und die letzte Passage mit dem Sessellift bis zur Gipfelstation zurücklegen würden. Bis zur Mittelstation soll der Weg nämlich absolut toll und reizvoll sein, ab der Mittelstation ist es einfach nur noch eine reizlose, teils asphaltierte, teils geschotterte Forststraße, die sich den Berg hochwindet. Ich für meinen Teil stand schon auf so vielen Gipfeln, dass ich nicht mehr den Ehrgeiz habe alle Höhenmeter, egal wie reizlos sie sind, unbedingt zu Fuß machen zu müssen.

 

Unser Weg führt uns vom Campingplatz erst, der Konstanzer Ache folgend, bis zum Kleinen Alpsee. Wir laufen kurz parallel zur B 308, der deutschen Alpenstraße, und steigen dann langsam, durch den Wald, mit wenig Steigung auf. Nach insgesamt ca. 3 Kilometern erreichen wir den Einstieg in den Steigbachtobel. Durch den Steigbachtobel führt ein total toller Wandersteig der teils über Wurzeln und Treppen dem Bachlauf folgt. Wasserfälle und  Gumpen lösen sich ab. Das ganze erinnert mich an einige Lieblingsstellen meiner Kindheit in der Berchtesgadener Alpen und ich bekomme sofort Lust hier kleine Staudämme zu bauen, Papierschiffchen fahren zu lassen oder mich einfach nur ins Wasser zu stellen. Viel zu schnell, nach etwa 1,5 Kilometern, trifft man wieder auf die Forststraße, die im Winter übrigens als Rodelbahn dient. Wir folgen der Forststraße ein gutes Stück um, nach der dritten Kehre nach der „Hölzernen Kapelle“, die Straße zu verlassen und einem kleinen Wurzelpfad zu folgen. Hier machen wir ordentlich Höhenmeter und ich genieße diesen Weg total. Ich mag solche kleinen, schmalen Steige einfach. Nach etwa 30 Minuten erreichen wir dann die Mittelstation der Mittagsbahn. Hier gibt es eine bewirtschaftete Hütte, mit nettem Außenbereich, in der wir eine Pause machen um etwas zu trinken.

 

Danach entern wir den Sessellift und fahren zur Gipfelstation. Der Blick auf die Straße bestätigt das, was uns gesagt wurde. Die Wegführung sieh einfach nur wenig reizvoll aus. War also die richtige Entscheidung sowohl eine Berg- als auch eine Talfahrt zu kaufen. Von der Gipfelstation sind es nur ein paar Schritte bis zum Gipfelkreuz und obwohl dieser Gipfel wirklich nichts spektakuläres hat, nimm er mich sofort gefangen. Was für ein Ausblick. Der Blick ins Illertal bis zu den Oberstdorfer Alpen ist einfach großartig. Wir machen hier eine richtig lange Gipfelrast und ich genieße die Zeit hier oben total. Aber wie das so ist, irgendwann heißt es dann eben auch wieder runter vom Berg. Ich verabschiede mich vom Mittag und sage ihm, dass ich mich auf ein Wiedersehen im September freue, wenn dann hier unsere Überschreitung der Nagelfluhkette enden wird.

 

Wir fahren mit dem Lift bis zur Mittelstation und beginnen von hier den Abstieg. Da ich gerne auch über den Wurzelsteig absteigen möchte, Björn wegen seiner Achillessehne aber lieber über die Forststraße absteigen möchte trennen wir uns kurzfristig. Ich nehme den Wurzelsteig und Björn die Straße. Wir verabreden aber uns jeweils an den Stellen zu treffen, an denen die Forststraße den Wurzelpfad kreuzt um sicher zu gehen, dass es dem jeweils anderen gut geht. Und so geht jeder kurzfristig seinen eigenen Weg. Der Wurzelpfad hat ja schon bergauf Spaß gemacht, aber das zügige abwärtslaufen ist einfach nur Spaß und Freude pur. Nachdem der Wurzelpfad auf der Forststraße endet setzen wir unseren Weg wieder gemeinsam fort und biegen schon bald in Richtung der Sennalpe Hochried ab. Hier wollen wir, auf Grund eines Tipps von Schwesterlein und Schwager, eine Brotzeitpause machen. Die beiden haben von der Alpe und der Brotzeit einfach so geschwärmt, dass ich hier unbedingt einkehren möchte. Und wir werden nicht enttäuscht. Uns empfängt eine kleine, gemütliche Alpe mit einer sehr netten Bewirtung und einer klasse Brotzeit. Was fühle ich mich wohl. Ich bekomme das Strahlen kaum aus dem Gesicht. Es ist einfach ein perfekter Bergtag. Ich möchte gar nicht, dass er überhaupt endet. Nach der ausgiebigen Brotzeitpause steigen wir dann weiter ins Tal ab. Da Björn noch eine Besorgung in der Stadt machen muss gehen wir nicht sofort zum Campingplatz zurück, sondern schlagen noch einen Haken über die Innenstadt. Danach geht es dann zurück Richtung Großer Alpsee und Campingplatz. Kurz vor dem Campingplatz kehren wir noch in einem Eiscafe direkt am See ein, gönnen uns einen Eisbecher und beenden so unser Tour auf den Mittag.

 

Wir kehren zum Campingplatz zurück und ich genieße noch ein wenig das Glücksgefühl des heutigen Tages. Aber heute steht auch noch eine Entscheidung an. Nämlich die Entscheidung ob wir den Urlaub abbrechen oder nicht. Und der Wetterbericht und auch ein Gespräch, welches ich mit der Sennerin auf der Alpe führte, lassen, wenn man vernünftig ist, einfach keine andere Entscheidung zu als den Urlaub abzubrechen. Die Wettervorschau für die nächsten 10 Tage ist so übel, dass wir, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nicht mehr in die Berge kommen werden. Wenn das Wetter auch nur ansatzweise so wird, wie angesagt, wären Bergtouren einfach nur grob fahrlässig. Und dazu kenne ich die Berge einfach zu gut und gehe so ein Risiko nicht ein. Da Bergtouren aber das Hauptziel dieses Tourenabschnittes sein sollten, hat es keinen Sinn mehr hier weiter zu machen.

 

Auch wenn es die richtige Entscheidung ist, so bekomme ich meine Emotionen erst mal nicht in den Griff. Von Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt halt. Ich zetere, ich heule. Ich stelle kurzfristig den Sinn des gesamten Urlaubs in Frage. Kurz: Ich bin einfach fix und alle. Björn hat es die nächste ¾ Stunde echt nicht leicht mit mir. Aber ich bin so unendlich glücklich und dankbar, dass wir wenigstens diese eine Bergtour heute geschafft haben und das zieht mich aus dem größten Tief dann auch raus. Als nächstes stornieren wir unsere Fahrkarten für den eigentlich geplanten Rückfahrttermin und buchen für morgen Abend neue Fahrkarten. So können wir uns morgen noch einen schönen Abschiedstag hier machen.

 

Nach dem Essen, es gibt Trekkingfutter, gehen wir noch mal an das Ufer des Alpsee und genießen die Stimmung. Danach geht es ab in die Zelte, ich lasse die Tour noch mal Revue passieren und schlafe, so glaube ich, mit einem Lächeln ein.

 

Und während ich diese Zeilen schreibe, kullern mir dann doch einige Tränen über die Wangen. Meine Güte, manchmal habe ich aber auch echt nah am Wasser gebaut.